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Der Zinsgroschen



Restaurierung eines Van Veens?

Das Gemälde ist seit März 2020 im Besitz der Stiftung Kunstsammlung der Diözese. Es wurde ihr von der Kongregation der Elisabethinerinnen aus Bad Kissingen übereignet, deren Kloster auf dem Gelände der Bad Kissinger Klinik aufgelöst wurde. In diesem Zusammenhang entschied man sich für eine Übergabe an die Stiftung Kunstsammlung. Das Gemälde stammt jedoch nicht aus älterem Klosterbesitz, sondern wurde dem Kloster nach eigenen Unterlagen 1960 von einem Pfarrer Schölzel aus Berlin geschenkt. Dessen Schwester Anna Schölzel (+) war Schwester der Kongregation. Derzeit laufen noch Recherchen zur weiteren Provenienzgeschichte. Wir konnten mittlerweile herausfinden, dass es sich bei dem erwähnten Pfarrer Schölzel um Alois Schölzel handelt, einem kunstverständigen Pfarrer, der den Bau der bekannten St. Martins Kirche in Berlin-Kaulsdorf initiierte. Auf seinen „Betteltouren“ durch ganz Deutschland könnte er an das Bild gelangt sein.

Rückseitig auf dem Rahmen ist ein altes Etikett (wohl Ende 19. Jh. / Anf. 20 Jh.) angebracht, welches die Angaben zu einem vermuteten Eisenbahntransport von Gent nach Antwerpen enthält: RAILWAY WAES / Gand / Anvers. Desweiteren befindet sich auf dem Keilrahmen eine schwer leserliche Inschrift: Aug(?) Vaerewyck Lange Leen(?). Diese Inschrift konnten wir mit dem vermutlichen Vorbesitzer August Vaerewijck (Vaerewyck) aus der Langen Leemstraat in Antwerpen in Verbindung bringen. 

Zusätzlich sind noch folgende Daten, vermutlich der Zeitpunkt der Restaurierung, am Keilrahmen vermerkt: 17.II.1917 angefangen(?); 4.IV.1917;
V.; 20.VI.(?) sowie kaum leserliche Zusätze.

 

Update 27. August 2020

Inzwischen konnten wir folgendes herausfinden:

Das Gemälde lässt sich erstmals 1870 in einem Verkaufskatalog der Sammlung J.B. van Rooy, Antwerpen, nachweisen und in einem 1877 erschienenen Katalog zum 300. Geburtsjubiläum von Rubens taucht unser Bild noch einmal auf. Die Tochter van Rooys war mit August Vaerewijck verheiratet, der auf dem Spannrahmen unseres Gemäldes mit der Adresse Lange Leemstraat 384 in Antwerpen vermerkt ist. Zunächst hatten wir August Vaerewijck mit seiner Firma, eines Steinmetzbetriebes, nicht unter dieser Hausnummer nachweisen können, jedoch weist die Todesanzeige seiner Frau vom 8. Mai 1916 genau diese Adresse auf. Unter dieser Adresse war allerdings auch der Name eines jüdischen Bewohners - Abram Chaim Blanklejder - vermerkt. Er stammte aus Polen und wurde 1942 deportiert.

Dieser Anfangsverdacht veranlasste uns, die Provenienzforscherin Frau Bach von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern zu Rate ziehen. Inzwischen haben wir aber berechtigte Gründe, einen Besitz des Gemäldes für Blanklejder nahezu auszuschließen. Es wurde nämlich 2019 in einer Auktion in Uppsala ein Gemälde gleicher Provenienz (dort: Waerewijck, Lange Leemstraat 384) angeboten, das sich noch im Besitz der Nachfahren der Vaerwijcks befand und dem Auszüge/Kopien des Katalogs von 1877 beigegeben waren, die handschriftliche Verkaufsinformationen enthielten. Demnach war unser Gemälde (zusammen mit einigen weiteren) an Admiral Lauren(?, in der Kopie nicht genau lesbar) verkauft worden. Es dürfte sich bei diesem Admiral um den Hafenkommandanten und Kontreadmiral Hugo Louran (1865-1931) handeln, der 1914-1918 in Antwerpen agierte und nachweislich Kunst sammelte/ kaufte (er bat bspw. den Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen Berlin Wilhelm von Bode 1917 um eine Beurteilung eines Paulus Potter Gemäldes, welches er von Antwerpen nach Berlin sandte). Noch ist uns unbekannt, wie das Gemälde von Louran an Pfarrer Alois Schölzel ging, der 1947 verstarb und das Gemälde spätestens zu diesem Zeitpunkt seiner Schwester Anna, einer Elisabethinerin, übereignete (also nicht- gemäß den Klosterunterlagen überliefert - erst 1960). Diese Lücke von ca. 1917/18 bis 1947 wird weiter von uns recherchiert um eine lückenlose Provenienz dieser Zeit zu bekommen.

In den bislang recherchierten Foren konnte kein Hinweis auf NS- verfolgungsbedingten Entzug unseres Gemälde gefunden werden.

Foto: Thomas Obermeier, Würzburg

Künstler und Gemälde / Kunsthistorische Einordnung

Otto van Veen (1556-1629) ist als Lehrer P. P. Rubens bekannt. Seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte er im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. In diese Zeit dürfte auch unser Gemälde zu datieren sein. Van Veens Arbeit ist in vielen Holztafelgemälden überliefert; seine größerformatigen Leinwandgemälde scheinen nach der grundlegenden Forschungsarbeit Justus Müller-Hofstedes: Otto van Veen, der Lehrer P.P. Rubens, 1959, in geringerem Umfang überliefert zu sein. Seine Arbeit listet die bis dahin bekannten und zugeschriebenen, wie auch die urkundlich fassbaren Werke van Veens auf. Ein „Zinsgroschen“ findet dabei keinerlei Erwähnung. Dennoch scheint die Zuschreibung gerechtfertigt, da unser Gemälde eine große Nähe zur 1608 datierten, für Otto van Veen belegten Lazarustafel in der Genter St. Bavo Kirche aufweist, insbesondere hinsichtlich der Christusgestalt und des Pharisäers mit dem Stirnschild, der auf denselben Personentypus zurückgreift. Das Thema des Zinsgroschens nach Mt 22, 15-22 berichtet von der Fangfrage, ob die Juden dem römischen Kaiser Steuern zu zahlen haben. Jesus antwortet den Pharisäern daraufhin mit Verweis auf die Darstellung auf einer Münze: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Der um 1516 entstandene Zinsgroschen von Tizian ist wohl das bekannteste Werk dieser Thematik. Van Veens Berufung zum Münzintendanten in Brüssel könnte ein Auslöser für die Bildidee bzw. den Auftrag gewesen sein und wäre demnach etwas später zu datieren.

Interessant ist auch der Vergleich zu einem 2005 bei Lempertz in Köln versteigerten „Zinsgroschen“ von Nicolas Regnier, der eine ganz ähnliche Personenkonstellation aufweist. Besonders die Figur des Johannes seitlich von Christus könnte auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen oder gar unser Gemälde als Vorbild gehabt haben. Demnach wäre es vielleicht in Regniers Antwerpener Zeit (bis 1615) entstanden. Aufgrund der derzeit schwierigen Recherchemöglichkeiten muss eine genaue Erforschung den nächsten Monaten vorbehalten bleiben. Offenbar erfolgte bislang keine Veröffentlichung dieses Werkes. Durch die bald erfolgende Publikation erhoffen wir uns auch die Diskussion hinsichtlich der Zuschreibung in Gang zu bringen.

Ob das Bild nur zugeschrieben wurde oder ob sich vielleicht eine Signatur auf dem Bild finden lässt, könnte die Restaurierung klären.

Auch wenn bislang die Zuschreibung an van Veen noch nicht sicher geklärt werden konnte, so handelt es sich bei dem Bild um eine sehr qualitätvolle künstlerische Arbeit, die durch eine Restaurierung sehr gewinnen wird. 

 

Förderung durch die Corona Förderlinie der Ernst von Siemens Kunststiftung

Wir freuen uns sehr, dass unser Förderantrag bei der Ernst von Siemens Kunststiftung angenommen wurde und wir somit bald mit der Restaurierung des Gemäldes beginnen können. Wir sind sehr gespannt, welche Entdeckungen die Restaurierung noch zu Tage fördern wird und hoffen das Gemälde bald im MAD präsentieren zu können.

Update: Zusätzliche Förderung der Restaurierung durch die Unterfränkische Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken

Anfang August bekamen wir die Zusage des Bezirks Unterfranken, dass das Restaurierungsvorhaben auch von ihrer Seite her unterstützt wird. Vielen Dank an den Bezirk!

Update 20.5.2021

Die Besucher*innen des MAD dürfen sich auf ein absolutes Glanzstück freuen, hängt doch seit wenigen Tagen Otto van Veens (1556-1629) frisch durch die Dipl. Restauratorin Gudrun Hanika restauriertes Gemälde "Der Zinsgroschen" an seinem neuen Platz. Es ist absolut beeindruckend, diese klar und frisch leuchtenden Farbtöne zu erblicken und das Werk des Rubenslehrers auf sich wirken zu lassen. Selten ist er besser zu erfahren - dieser maßlose Genuss ein Bild zu betrachten.


Der Zinsgroschen, restaurierter Zustand, Foto: Thomas Obermeier

Die Pressestelle der Diözese Würzburg hat einen ausführlichen Artikel zum "Zinsgroschen" verfasst. Hier gelangen Sie direkt zu ihm.